Sind meine Grosseltern heute auch dabei?
- jochengaiser3
- 1. Juli 2024
- 2 Min. Lesezeit
Gestern Abend fand unser 2-wöchentliches Treffen statt. Zugegeben, ich war sehr gespannt, wie viele Teilnehmer wohl dabei sein würden. Werden alle kommen? Und zu meiner grossen Überraschung bot das Fahrzeug nicht genügend Sitzmöglichkeiten; eine Person musste mit der Bahn nachfahren. Auf der Fahrt fragt Metin*: «Sind meine Grosseltern heute Abend auch dabei?» Damit meint er das Schweizer Ehepaar, welche er inzwischen als Grosseltern-Ersatz sieht, da er seine Familie aus der Türkei so schmerzlich vermisst. Er freut sich jedes Mal, wenn er unser Seniorenehepaar sieht und hilft ihnen auch gerne in der Küche oder wo auch immer sich Gelegenheit bietet.

Zwei Söhne
Im Kurs (https://www.almassira.de) unterhalten wir uns über Abraham und seine Ehefrau Sarah. Die Mehrheit der Teilnehmer sind moslemischer Herkunft und sie kennen einen grossen Teil der Geschichte aus dem Koran. Laut der Bibel soll Isaak geopfert werden, laut dem Koran jedoch ist es der andere Sohn, Ismael. Der Austausch ist wohlwollend und von gegenseitigem Respekt geprägt. Ab und zu wird Ahmed*, unser Hitzkopf, etwas lauter und die Diskussion wird heftiger. Dann lassen wir die Emotionen herunterfahren und wir erinnern uns daran, dass wir unsere gegenseitigen Standpunkte stehen lassen.
Zukunftsträume und Frust
Im Laufe der Wochen nehmen die Deutschkenntnisse, das gegenseitige Vertrauen und die Freundschaft zu. Ich staune was der 20-monatige Schweiz-Aufenthalt mit Ali* gemacht hat. Er kann sich bereits verständlich ausdrücken und seine Absicht steht klar: «Ich möchte hier in der Schweiz eine Lehre absolvieren». Ja, sein Zukunftstraum steht fest. Aber bis heute ist noch nicht klar, wann und ob er überhaupt eine Aufenthaltsbewilligung erhalten wird. Wie würde ich, wie würdest du mit dieser Unsicherheit umgehen? Und logischerweise lösen diese unerfüllten Wünsche manchmal auch Frust aus. Gut, dass Ali* sich an einem solchen Treffen entspannen und Kraft tanken kann.
Ich bin Gott überaus dankbar für das tolle Team, den Übersetzer, die Leute, welche Fahrdienste übernehmen und die Gastgeberinnen, die mit viel Liebe das Essen vorbereiten. Aber auch die lokale Gemeinde, welche uns ermöglicht, die Lokalitäten zu benutzen. Wir sind ein Puzzleteil, nur ein Puzzleteil... Aber ein wichtiges, denn wir merken: Gott ist am Wirken in den Teilnehmern, im Team und in mir.
Einige Kommentare von den Teilnehmern:
Ali*: «Ihr seid unsere Familie hier in diesem Land». Omar*: «in unserem Land hätten wir niemals die Möglichkeit, diese Geschichten zu hören». Und Mustafa* ergänzt: «Eure Leute sind sehr nett. Das Essen und die Gastfreundschaft sind sehr gut. Wir sind sehr glücklich mit ihnen». Und dann stellt er Omar* und mir folgende Frage: «Ich denke, es ist gut, ab und zu in den Wald zu gehen und mit Gott zu sprechen. Was denkt ihr darüber?».
Eine grosse Ernte
Hast du heute bereits mit Gott gesprochen? Hast du ihn schon gefragt, wo er dich ganz konkret gebrauchen möchte? Danke, dass du heute mit Jesus auch über unsere Arbeit sprichst; denn wir benötigen Weisheit, Kraft und Gnade dabei. Und erinnere ihn daran: Die Ernte ist gross, aber es gibt nur wenige Arbeiter».
Emanuel Moser
* Alle Namen geändert
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