Orthopedic Service, Kassam
- jochengaiser3
- 1. Feb. 2023
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Feb. 2023

Das Spital Kassam, unser Arbeitsort, ist ein Ort voller Freude und voller Leid. Ein Ort, wo Tränen fliessen und wo Dankgebete gesprochen werden.
Wo es an Medikamenten, hochqualifizierten Arbeitskräften und einer stabilen Stromversorgung fehlt, rückt unsere Abhängigkeit von Gott verstärkt ins Bewusstsein.
Als der Arzt beim Schichtwechsel informiert, dass es die Impfungen zur Grundimmunisierung von Säuglingen nur noch in abgelaufenem Zustand gibt, betet die Hebamme: „Du grosser Gott, segne diese abgelaufenen Impfstoffe, damit sie weiterhin wirksam sind.“
Als in einer Zeit mit ständigen Stromausfällen ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss, sind die einen am Operieren, während die anderen beten, dass der Strom nicht ausfällt. Als Mutter und Baby überleben, ist das Spitalgelände erfüllt von Dank und Jubel.

In der Mitte des Spitalgeländes steht die Werkstatt für Orthopädietechnik. Hier produzieren wir mit überschaubaren Ressourcen und viel Gottvertrauen Bein -und Armprothesen. Auch hier werden alle herzlich willkommen geheissen, obwohl wir wissen, dass manche unserer Patienten Verbrecher sind und Menschenleben auf dem Gewissen haben. Andere unserer Patienten sind traumatisierte Jugendliche, gebrochene Männer und Frauen und verängstigte Kinder. Wir begegnen auch leidgeprüften Christen, die unglaublichen Mut und Dankbarkeit ausstrahlen und uns zum Vorbild werden.
Für jeden und jede von ihnen ist es unser Herzensanliegen, nicht nur technisch-medizinisch weiterzuhelfen. Wir verstehen es auch als Teil unserer Arbeit, uns Zeit zu nehmen, um zuzuhören, Fragen zu stellen und mit Bildergeschichten aus der Bibel geistliche Wahrheiten zu vermitteln.

Und so freuen wir uns mit denen, die zum ersten Mal seit Jahren wieder auf beiden Beinen stehen können. Voller Schmerz hören wir denen zu, die uns von jahrelangem körperlichen und seelischen Leiden berichten. So auch dieses Mal, als Martin, ein 17-jähriger Junge, uns seine Geschichte erzählt.
Sein Start ins Leben war schwer, denn bereits als Säugling wurde er von einem Schwein ins Bein gebissen und verlor aufgrund der infizierten Wunde seinen Unterschenkel. Obwohl er keine Krücken hatte, wollte er unbedingt zur Schule. Und so kroch er 5 Jahre lang jeden Tag zur Schule, begleitet vom Gelächter und Gespött der Mitschüler. Dass aus ihm ein scheuer, ängstlicher Junge wurde, ist daher wenig überraschend. Als er in unsere Werkstatt kommt, wagt er kaum den Kopf zu heben, seine Stimme ist leise und bedrückt, und Augenkontakt vermeidet er wann immer möglich. Als wir ihm mehrmals sagen, dass er in Gottes Augen unendlich wertvoll ist und dies mit Geschichten veranschaulichen, beginnt eine Veränderung stattzufinden.

Als seine Prothese nach 3 Tagen fertig ist, verlässt uns Martin wieder, doch er scheint nicht mehr derselbe Junge zu sein. Er will ausserhalb der Werkstatt allen seine Prothese zeigen, hält den Kopf aufrecht und lächelt. Die tiefen Narben seiner Seele sind noch nicht geheilt, doch es scheint, als habe er neue Hoffnung und neuen Lebensmut bekommen.
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